Mein Interesse am Konzept des Systems als gedanklich von der Umgebung abgetrennter Sammlung interagierender Faktoren spielte in meiner künstlerischen Entwicklung eine führende Rolle. Ich habe diese Systembetrachtung insbesondere in Überlegungen des menschlichen Seins und unserer Verbindung mit der Umgebung angewandt. Ich erkenne in meiner künstlerischen Arbeit eine bivalente Betrachtung des menschlichen Seins. Ich sehe den Menschen einerseits als zentralen und autonomen Agenten, gleichzeitig aber auch als dezentralen Knotenpunkt in einem größeren Netzwerk miteinander verbundener Agenten.
Meine Auseinandersetzung mit dem Konzept des Systems führte zur Beschäftigung mit der Interaktion zwischen dem Menschen und seiner Umgebung. Um meine Gedanken zu dieser dynamischen Interaktion zum Ausdruck zu bringen, habe ich den Prozess der Elektrolyse in meine kreative Arbeit eingebunden. In diesem Prozess wird eine geringe elektrische Spannung an zwei in Flüssigkeit positionierte Elektroden gelegt und erzeugt dadurch das Fließen eines elektrischen Stroms durch die Flüssigkeit. Der Strom spaltet die Moleküle der Flüssigkeit, in meinem Fall meistens Wasser oder Salzwasser und erzeugt so das Aufsteigen gasförmiger Blasen und eine langsame Veränderung der Flüssigkeit selbst.
Der Prozess Elektrolyse wird direkt als Teil meiner Skulpturen und als Herstellungsprozess der in den zwei-dimensionalen Arbeiten aufgetragenen Pigmente angewandt. Ich möchte den Zusammenhang zwischen dem Prozess Elektrolyse und der Interaktion des Menschen mit seiner Umgebung etwas erläutern. Als Teil dieser Interaktion dienen die Sinnesorgane an der äußeren Grenze des Systems Mensch zur Aufnahme von Informationen, die dann über Ketten elektrochemischer Impulse in das neurologische Netz geführt und dort verarbeitet werden. Simultan besteht die Umwelt des Menschen aus Materie, also aus zusammengesetzten Molekülen, deren Eigenschaften ebenfalls auf elektrochemischen Kräften unter- und innerhalb der einzelnen Atome zurückzuführen sind. Somit konzipiere ich den Menschen als Teil eines elektrochemischen, energetischen Kontinuums, das uns miteinander und mit der Umgebung verbindet. Überlegungen dieser Aspekte der menschlichen Existenz und ihrem Zusammenwirken mit der restlichen Welt führten mich dazu, den Prozess der Elektrolyse in meiner künstlerischen Arbeit zu nutzen, und zwar als Metapher für den für die Informationsweitergabe verantwortlichen elektrochemischen Impuls im neurologischen Netz sowie für die energetische Dynamik im größeren Netz der Umgebung, in der wir uns als Menschen befinden.
In meinen neuesten Arbeiten hat sich das Konzept des Menschen als Knotenpunkt zur Betrachtung des Zusammenwirkens von Energie, Materie, Zeit, Raum und Information weiterentwickelt. Gerade weil sie für mich neu sind, stehen für mich gegenwärtig die Konzepte der Energie, Zeit und Information künstlerisch im Vordergrund.
Der grundlegende Ausgangspunkt der Bivalenz zentral/dezentral oder Knotenpunkt/System lässt sich im Kontext meiner künstlerischen Arbeit in zwei unterschiedliche Zweige aufteilen. Zum einen geht es mir um eine philosophische Betrachtung des menschlichen Seins und zum anderen um eine kritische Auseinandersetzung mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Problemen. Im Fall der philosophischen Betrachtung informiert eine Faszination mit der Komplexität und Vielfalt des Seins den Entstehungsprozess meiner Kunstwerke. Der andere Zweig ist im Vergleich mehr durch eine pragmatische Betrachtung der vom Menschen konstruiert und beeinflusste Systeme informiert. In diesem Fall plädiere ich für eine Veränderung des kollektiven Bewusstseins von der Ich-Orientierung zur dezentralen Betrachtung der kollektiven Existenz.